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Vorsitzender der Jury 2017

Bernhard Lindner (Deutschland)

Ein Leben mit dem Film

Ich frage mich bereits seit längerer Zeit, weshalb gerade Film den größten Teil meines Lebens geprägt hat. Nach über 50 Jahren, nach so vielen Filmen, die ich mir in meinem Leben angesehen habe, nach vielen Begegnungen mit Menschen, die ich mit dem Film und um den Film haben durfte und vor allem nach den vielen Gesprächen und heißen Debatten um Filme, um ihre Aussage, ihre Machart, wie und warum sie gemacht wurden.

Es ist schon sonderbar, dass man sich nach dieser langen Zeit gerade an die Filme zurück erinnert, die man am Anfang gesehen hat. So bin ich als Junge mit 14 Jahren in den 60 er Jahren, noch im Gymnasium, mit einigen Mitschülern und dem Lehrer in einen Jugendfilmclub eingeladen worden, in dem sich Schüler und Lehrer gemeinsam einen Kinofilm angesehen und nach dem Film und im Unterricht darüber diskutiert hatten.
Die Faszination Kino und Film muss mich da wohl dabei mit voller Wucht getroffen haben, denn seit dieser Zeit habe ich jede Möglichkeit genützt, mir Filme anzusehen und, was mir noch viel wichtiger war, darüber zu sprechen, Meinungen auszutauschen und zu diskutieren.

So hat es sich sehr gut ergeben, dass dieser Jugendfilmclub in ganz Deutschland mehrmals im Jahr Treffen veranstaltet hat, an denen wir uns Filme ansehen konnten und – was fast eine Sensation für uns war, - dass wir in vielen Fällen mit den anwesenden Regisseuren darüber sprechen konnten. Wir wollten natürlich wissen, wie solch ein Film entsteht, warum gerade dieser Film für den Regisseur so wichtig war und warum die eine oder andere Darstellung oder Szene im Film so kurz oder so lange war.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich unbedingt ebenfalls einen Film machen wollte und, da das Geld für eine Kamera nicht ausreichte, hatten damals clevere Fotohändler den Vorschlag gemacht, wenn man mindestens zwei Filme kaufte (und die waren schon fast unerschwinglich), dann erhielt man für eine Woche eine Kamera kostenlos. Also  2 bis 3 Filme aus dem Taschengeld gekauft und mit dem Fahrrad eine Woche lang in Deutschland von Jugendherberge zu Jugendherberge gefahren. Wenn das Geld in dieser Zeit ausging, so war es ein gutes Mittel, sich für einen Tag Arbeit im Großmarkt zu suchen, man konnte sogar ein bisschen Obst, das sich nicht verkaufen ließ mitnehmen und hatte auch wieder für ein paar Tage etwas Geld für weitere Abenteuer.

Die Zeit des Studiums danach war wiederum geprägt von Kino und Film. Es war auch die Zeit der Experimente und des Underground Films. Als Mitglied der 68er Generation, die in den Hochschulen den Streik ausgerufen hatte und es als notwendig fand, zu protestieren, wurden die ersten eigenen Versuche gemacht, sich mit dem Film aktiv zu beschäftigen. Natürlich kamen die Aktionen um den Film nicht zu kurz. Da waren die Abende in den Kinos, in denen Filme von Eddie Constantine liefen und wir mit Töpfen, Deckeln und Kochlöffeln in den Kinos so richtig Lärm und Stimmung machten. Vom Film hatten wir zwar nichts mitbekommen aber die Aktion war es wert.

Mittlerweile ist mir klar, die Weichen in Richtung Film wohl in den ersten Jahren gestellt werden und dass das Faszinierende am Kino, am Medium Film nicht allein durch Filme sehen sondern in ganz hohem Maß durch Gespräche um den Film und seine Möglichkeiten entsteht.

Ein Leben mit dem Film… und jeder war es auf irgendeine Weise wert, sich damit zu beschäftigen.

Bernhard Lindner