Präsident Georges Fondeur
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Die Vorschläge von Art Hovenessian dürfen für sich den Anspruch erheben dass, falls die UNICA morgen und übermorgen noch eine wichtige Rolle im internationalen Autorenfilmwesen spielen möchte, sie auch bereit sein sollte, sich selbst ihre Strukturen und ihre Organisation infrage zu stellen.
Die wesentliche Frage hierzu lautet : Welche UNICA brauchen wir morgen, wie muss die UNICA übermorgen aufgestellt werden ?
Es geht also ganz klar in Richtung Entwicklung eines neuen Konzeptes falls wir der Meinung sein sollten, dass auf Dauer das heutige Konzept keine oder kaum Weiterentwicklungschancen in sich birgt. Die fortschreitende Alterung der Strukturen, d.h. der Verbände, der Clubs und deren Mitglieder, des Weiteren die zunehmende Verarmung vieler Länder mit daher gehenden Einschränkungen der Beihilfen für kulturelle Betätigungen, besonders im Nicht-professionellen Bereich, muss uns in der Tat zutiefst beunruhigen.
Diese Sorgen sind desto mehr berechtigt wenn man sieht wie schwer sich unsere Mitgliedländer im Allgemeinen mit der Anwerbung von Nachwuchskräften tun, obwohl noch nie so viel gefilmt wurde wie heutzutage, besonders seitens Jugendlicher, sei es anhand von Videokamera, Fotokamera, Handy oder Tabletcomputer.
Um es kurz zu fassen: kaum jemand zweifelt daran dass auf der Ebene unserer Strukturen, Club, Verband, UNICA in absehbarer Zeit ein Wandel notwendig ist, also ein neues Konzept ausgearbeitet werden muss falls wir den Zug in die Zukunft nicht verpassen wollten.
Ein jedes Konzept, um erfolgreich zu sein, braucht auch eine dynamische Strategieentwicklung. Nach dem Was, kommt notgedrungen das Wie.
Ob wir nun als erstes Ziel verstärkt um neue Mitgliedsländer werben sollen mit einem offensiven Marketing mag ein Weg sein. Er mag Erfolg bringen. Aber kann die UNICA viele neue Mitglieder in ihren Reihen verkraften, bevor ein Wandel in ihren « Stammländern » vollzogen ist ? Falls dies der Weg sein sollte müsste man sich wohl überlegen inwieweit sich eine auf neue Länder ausgerichtete Strategie mit dem heutigen Konzept in Einklang bringen lässt ?
Man sollte an dieser Stelle nicht weiter sinnieren. Jedoch sollte ein jeder, der auf irgendwelcher Ebene Verantwortung trägt, sich zumheutigen Zeitpunkt Gedanken machen über ein neues, der Zeit angepasstem Konzept. Ein Reformpapier als Forderungs- und Vorschlagskatalog macht nur einen Sinn wenn sich ein jeder darüber im Klaren ist welche Dachorganisation in Zukunft die Interessen der ilmautoren und deren Nationalen Organisationen in der ganzen Welt am besten zu vertreten imstande sein wird.
Diese grundsätzlichen Überlegungen sollten in erster Linie dazu dienen uns klar vor Augen zu führen wo wir stehen (Ist-Zustand) und in welche Richtung es möglicherweise gehen könnte (Soll-Zustand), also mit Ausblick auf eine mögliche Neugestaltung entsprechend einiger der Grundgedanken des Reformpapiers. Falls sich daraufhin eine breite und hoffentlich konsensfähige Mehrheit über die Notwendigkeit einer Neugestaltung in einem grösseren oder auch nur in einem begrenztem Masse ergeben sollte, könnte bereits2014 in Piestany ein provisorisches Zukunftsmodell vorgestellt und diskutiert werden.
Von dieser Etappe der Meinungsbildung über die zukünftige Ausrichtung hängen sämtliche Strategien für die Zukunft ab, wie ein aggressives Marketing, Sponsorenwerbung, Erweiterung nach Osten und Westen, Neuaufstellung unseres Jahreswettbewerbs.
Das Strategiepapier von Art Hovenessian enthält z.T. interessante Hinweise und Anstösse für eine zukünftige Ausrichtung, Eine genauere Analyse muss herausstellen welche davon umsetzbar sind auf dass die richtigen Schlüsse gezogen werden und die richtigen Entscheidungen getroffen werden können.
Eins dürfte sich die UNICA auf keinen Fall erlauben und zwar sich hier und heute von einzelnen Elementen des Strategiepapiers zu Teilreformen verleiten lassen, ohne sich im Vorfeld auf deren Konsequenzen auf das aktuelle Konzept Gedanken zu machen und ohne sich im Klaren zu sein über mögliche Schäden für die Ideen und die Ziele die der UNICA bis heute zum Erfolg verholfen haben und die ihr von ihren Urvätern vor 75 Jahren in die Wiege gelegt wurden.
Ein Konzept ist ein Ganzes und sollte als solches nicht scheibchenweise infrage gestellt bezw. abgeändert werden.
Was muss sowohl auf der Ebene der UNICA, der Verbände und der Clubs unternommen werden, auf dass junge Autoren sich von den bestehenden Strukturen weiterhin angezogen fühlen ?
Hier sei die Frage erlaubt, ob die heutigen Strukturen überhaupt noch dazu imstande sind, jungen Filmemachern als Plattform und als Sprungbrett zu dienen um ihnen den Weg zu einer erfolgreichen Filmkarriere zu ebnen? In unserem multimedialen Zeitalter gibt es Wege die einfacher und direkter sind um an grösseres, ja sogar Millionenpublikum heranzukommen. Des Weiteren gibt es spezifische Festivals, wo ausschliesslich junge Autoren sich zu einer Art Happening zusammenfinden, ihre Filme gemeinsam feiern und, dank öffentlichem und privatem Sponsoring, auch noch interessante Geldpreise einheimsen können.
Die Frage sei jedoch erlaubt ob es genügt am Jahresfestival die
Zahl der Medaillen herabzusetzen um deren Begehrlichkeit und
Wertschätzung heraufzusetzen. Erfahrungsgemäss verzichten die
Teilnehmer eher auf einen Sonderpreis in Form eines Sachpreises
falls sie diese gegen eine Medaille austauschen könnten, egal wie
deren Farbe aussieht und egal wie viele es davon gibt.
Geldpreise für die Besten zu stiften ist nicht schlecht und mag
diesem oder jenem einen zusätzlichen Anreiz geben, aber wo das Geld
herkommen sollte darüber müsste man sich ernsthaft Gedanken machen.
Es ist kaum anzunehmen, dass Verbände oder nationale Organisationen
die Geldprämien an dem UNICA Festival mitfinanzieren werden auf
Kosten des Budgets des eigenen Nationalwettbewerbes. Dabei muss auch
bedacht werden dass in etlichen Mitgliedsländern es andere
Auswahlkriterien gibt als das Resultat eines nationalen
Wettbewerbes, falls es ein solches überhaupt geben sollte.
Die UNICA als weltweite Dachorganisation hat kaum, falls überhaupt,
die Möglichkeit dauerhaft «fette » Sponsoren an sich zu binden
bedingt auch durch die Tatsache dass ihr Jahresfestival jeweilig in
einem anderen Land ausgetragen wird. Daran können auch verstärkte
Marketing-Massnahmen kaum etwas ändern.
Marketing in grossem Stile, mit etwa Einladungen nebst Betreuung
zum Jahresfestival von Delegationen aus noch nicht Mitgliedsländern,
sowie von bekannten Grössen aus der Filmwelt ist vielleicht gut im
Sinne einer besseren Öffentlichkeitsarbeit sowie zur Schaffung einer
besseren Resonanz und Bekanntheit in der Fachwelt wie auch in den
Medien. Jedoch dürfte dies an Problemen der Finanzierbarkeit von
derartigen Aktionen scheitern. Solche oder ähnliche Marketingmittel
könnten allerdings einigen lokalen Ausrichtern des Jahresfestivals
bei der Suche nach Sponsorengeldern behilflich sein.
Werbematerial zu drucken oder andere multimedialen Werbemittel
einzusetzen ist eher machbar, braucht jedoch auch Zeit, Geld und
nicht zuletzt Personen die sich diesen Aufgaben voll und ganz
widmen. Aussen stehende Firmen damit zu beauftragen ist zum heutigen
Zeitpunkt undenkbar, angesichts der fehlenden Ressourcen. Dabei darf
nicht vergessen werden dass durch solche Aktionen etliche
Konfliktstellen zwischen der UNICA und dem lokalem Ausrichter
entstehen könnten.
Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, über die sozialen Netzwerke
oder über eine spezielle Webseite die neue Zielgruppen anvisiert,
kann in der Tat dazu führen, dass einige neue Mitglieder für die
UNICA und die Nationalen Organisationen gewonnen werden können. Es
wäre in der Tat auch angebracht, um unserem Anspruch auf eine
Weltbewegung des Nicht-Kommerziellen Filmes gerecht zu werden, dass
die UNICA besonders im asiatischen wie auch im Nord- und
Südamerikanischen Raume mehr Präsenz zeigen sollte und so neue
Mitglieder, sprich Nationale Organisationen, nicht nur gründen,
sondern ihnen den Eintritt in unsere Organisation erleichtern zu
helfen. Dabei muss natürlich verschiedenen Faktoren Rechnung
getragen werden, seien es geopolitische, wie Krisenherde oder auch
religiöse Erwägungen die dem freien Filmeschaffen bezw. einer freien
Filmvorführung erhebliche Grenzen setzen könnten.
Letzten Endes darf nicht unterschätzt werden dass durch eine Erweiterung der Teilnehmerzahl an unserem Jahresfestival entweder die Vorführzeiten der einzelnen Länder gekürzt werden müssten, der Rahmenprogramm wegfallen, oder sogar an eine Verlängerung um einen oder mehrere Tage gedacht werden müsste.
Die vorherigen Bemerkungen, sollten sie auch manchmal skeptisch und
manchmal auch negativ klingen, ändern nichts an der Tatsache, dass
in absehbarer Zukunft ein Umdenken in vielen Bereichen des
nichtkommerziellen Filmeschaffens erfordert ist, sollte in der Tat
vermieden werden, dass die UNICA und ihre jetzigen Strukturen
basierend auf festen und gut organsierten Nationalen Vertretungen,
die ihrerseits auf zahlreichen und gut funktionierenden Clubs
fussen, ins Hintertreffen gerät aufgrund der schwindenden Clubzahlen
und mit dem einhergehenden Verlust etlicher begeisterter und
begabter Autoren, also den «reinen Amateuren».
Diese Entwicklung bremsen zu wollen indem es am UNICA-Festival nur noch eine Kategorie von Filmen geben sollte, ohne Rücksicht auf deren Entstehung, sei es durch Professionnelle, durch Kinder, Jugendliche, Filmschulen oder « reine Amateure » und somit alle Filme in einer einzigen Rangliste aufführen, scheint kaum das geeignete Mittel zu sein weder für das Anheben des allgemeinen Niveaus noch für mehr Gerechtigkeit bei der Bewertung und, was im Endeffekt noch wichtiger ist, lässt Zweifel aufkommen ob auf diesem Wege der Fortbestand des Autorenfilmes und ihrer Organisationen in Zukunft gesichert werden können.
Alle zusammen sollten wir uns überlegen, ob es nicht zweckmässig wäre, jemanden mit der Aufgabe zu beauftragen, anhand der Reaktionen und Anregungen der Verbände auf den Fragebogen hin, gewünschte und als notwendig erkannte Neuerungen in aller Ruhe und mit der nötigen Sach- und Fachkenntnis auf ihre Machbarkeit zu analysieren und in einem Synthesepapier die Schritte die zu unternehmen sind aufzulisten und dies in eine angemessene Zeitschiene einzupassen.
Dies wäre ein konkreter Schritt in Richtung gemeinsame Schlussfolgerungen auf dass die Entscheidungen die dann zu treffen sein werden auch den Konsens der grösst möglichen Zahl an Nationalen Organisationen wiederspiegeln.
Luxembourg juli 2013
Georges Fondeur.