Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Liebe Freunde,
The Die soeben erfolgte Ernennung zum Präsidenten des Weltverbandes
des Autorenfilmes UNICA erfüllt mich mit Freude und Stolz, wobei ich
nicht verheimlichen möchte, auch mit etwas Angst und Bedenklichkeit.
Bei jedem Wechsel an der Spitze einer doch seinen langen Traditionen
verpflichteten Organisation und durch einen gewissen Erwartungsdruck
ergeben sich Spannungen vor denen man als fast Neuling eine
gewisse Unruhe und sogar Angst nicht verbergen kann. Zum Glück gibt
es eine ganze Reihe Werte und Erfahrungen die dazu beitragen diese
Barriere schnellstens zu überwinden und seine Kräfte nach vorn auf
die zukünftigen Aufgaben zu richten.
Manche mögen sich auch die berechtigte Frage gestellt haben, ob der
Kandidat nicht etwa zu alt für einen solchen Posten wäre, der vom
Inhaber die Qualitäten eines Leiters eines mittleren Betriebes
erfordert, wissend dass in unserer heutigen Welt die auf
Schnelllebigkeit und den sofortigen Erfolg getrimmt ist, die
Unternehmen in zunehmenden Masse von hochdiplomierten, hoch
ausgebildeten und sportlich durchtrainierten Managern von 30 bis 45
Jahren geleitet werden? Andere denken vielleicht wieso ein Kandidat
aus dem kleinen Großherzogtum Luxemburg, wo es mehr Banker als
Filmemacher gibt?
Noch andere könnten denken der Mann ist nur Stellvertreter oder
Wegbereiter für andere, neuere, d.h. dynamischere und jüngere
Kandidaten, also eine Art Kompromiss- oder im besten Falle ein
Übergangspräsident.
Dazu möchte ich hier an dieser Stelle einiges klarstellen.:
Ich sehe mich auf keinen Fall als Kompromisspräsidenten,
höchstenfalls als Mann der Kompromisse der mit jedem, aus welcher
Ecke der Welt er auch kommen mag, im fairen Dialog und mit offenem
Visier bereit ist zu diskutieren.
Ich sehe mich noch viel weniger als Übergangspräsidenten, meine
Amtszeit kann nur durch mangelnde Gesundheit, Altersschwäche oder
durch den Willen der Delegierten der Länderverbände zeitlich
begrenzt werden. Ohnehin ist die Amtszeit auf drei mal drei Jahre
beschränkt.
Mein Herkunftsland Luxemburg ist keine Bananenrepublik und seit
geraumer Zeit keine Oase mehr für schmutziges Geld oder für
Steuerhinterzieher. Soviel zu dem Thema. Aufgrund meiner
Familienverhältnisse sehe ich mich viel eher als Europäer an. Ein
Belgischer Vater, halb Wallone, halb Flame, eine Frau, halb
Italienerin, halb Luxemburgerin, sind hierzu, glaube ich, die besten
Voraussetzungen. Am Zusammenfluss zweier der wichtigsten
Kulturströme in Europa, der germanischen und der romanischen Welt,
hat Luxemburg sich von jeher dem näheren und weiteren Ausland
geöffnet.
Eine wichtigere Frage : Was bedeutet indes für mich UNICA.?
Welches sind die Gründe für mein Engagement?
Nicht selten hörte man Kommentare wie z.B. dass die Filmerei die
zweitschönste Sache an einem UNICA-Kongress sei.
Wie jede Behauptung ist diese, wenn auch etwas frivol, nicht ganz
falsch. Natürlich kommen die Menschen aus vielen Ländern im
wesentlichen alljährlich an einem anderen Ort dieser Welt des Filmes
wegen zusammen. Daselbst wird dann die Hochmesse des
Nicht-Kommerziellen Filmes zelebriert, und zwar hundertfach. UNICA
ist aber noch viel mehr. Es ist die Kommunion der Kulturen, die
Überbrückung der politischen und sozialen Gegensätze. Es ist die
gegenseitige Hochschätzung von Menschen verschiedenartigster
Herkunft ohne Abwägung der gegensätzlichen Meinungen und
Überzeugungen. Der Film, besser noch als andere Kunstformen,
gewährt einen tiefen Einblick in die Seele der einzelnen Völker, in
ihre Traditionen, in ihre Kultur, bis ganz hinunter zu ihren
Wurzeln. Ein Film aus Fernost ist sofort als solcher zu erkennen,
ebenso ein süd-amerikanischer, ein nordafrikanischer oder ein
skandinavischer, selbst ohne Sprache und Musik. Es sind gerade diese
Gegensätze die eine Organisation wie die UNICA so wertvoll machen
und für mich so wichtig machen.
Darüber hinaus sind es die Menschen die aus vier Kontinenten
angereist kommen um dem Medium Film zu huldigen, die den
eigentlichen Wert einer solchen Mammutveranstaltung
veranschaulichen. Ein buntes Volk von Autoren, jüngeren und auch
älteren, Anhänger und Familienmitglieder derselben, desweiteren
Dauergäste, Zaungäste oder einfach Filmliebhaber. Alle kommen sie
zusammen um die konkurrierenden Filme anzuschauen, gemeinsam zu
diskutieren, Ausflüge zu unternehmen und, so gar nicht unwichtig,
spät abends noch einen Schlaftrunk zusammen zu genießen. All dies
zusammengemixt ergibt einen besonderen Flair, eben den UNICA-Esprit
der so gestaltet wohl einmalig auf der Welt ist. So gesehen ist die
UNICA, neben dem Schaufenster der weltbesten Autorenfilme, auch ein
sehr effizientes Mittel zur besseren Völkerverständigung.
UNICA heute UNICA morgen
In einer kurzlebigen Welt wo alles in Bewegung ist, wo morgen das
verbrannt wird was heute noch angebetet wurde, befindet sich die
UNICA mehr denn je auf einem wogenden Meer wo es sowohl gilt streng
Kurs zu halten, als auch sich den Anweisungen des Wetterdienstes zu
beugen. Dies heißt soviel wie an den heutigen Strukturen festhalten
ohne zu vergessen über kurz oder lang einen Strukturwandel zu
vollziehen. Dies darf jedoch nicht überstürzt oder unüberlegt
geschehen ansonsten die Gefahr eines Schiffbruchs gegeben wäre.
Welche Punkte müssen nun kurz- oder mittelfristig untersucht und in
Angriff genommen werden?
Das UNICA Festival ist bekanntlich ein Wettbewerb zwischen Verbänden
aus vielen oft sogar unterschiedlichsten Ländern. Die Filme im
Hauptprogramm werden von den meisten Landesverbänden nach von ihnen
selbst festgelegten Regeln ausgesucht, meistens aufgrund von
internen Wettbewerben oder nach Anhörung eines
Selektionskomitees. Die Filme sind grob gesagt in 2 Kategorien
eingeteilt, die einen sind „reine“ Amateurfilme, die anderen stammen
aus Filmakademien oder Filmschulen, sind also unter Leitung ihrer
Lehrer von jungen Leuten hergestellt die gewillt sind aus dem
Filmeschaffen ihren Beruf zu machen.
Nun was geschieht mit diesen jungen Leuten nach bestandenem Examen?
Kommen ihre Produktionen weiterhin zur UNICA um daselbst von einem
großen internationalen Publikum gesehen zu werden, in der Hoffnung
irgendwann entdeckt zu werden und dann in die faszinierende Welt des
großen Kinos einzutauchen? Mitnichten, anhand der bestehenden Regeln
werden sie nicht selektioniert, weil in unseren Augen diese
Jungfilmer das Lager der Amateure verlassen haben und, noch
gravierender, weil die Autoren keine Mitgliedschaft an einem den
Verbänden angegliederten Vereinen besitzt. Aus diesem Grunde finden
sich ihre Kurzfilme auf anderen Bühnen wieder. Entweder werden sie
im Internet gezeigt oder wir begegnen ihnen an Festivals die
ursprünglich für Amateure konzipiert wurden. Ich nenne nur das
Berliner Filmfenster, das Festival Grand Off in Warschau, das
Festival der Nationen in Ebensee, oder auch noch die Goldene
Diana amKlopeiner See, wo rein statistisch die professionellen
Beiträge bis zu 80% der Filme ausmachen. Die stetig steigende
Nachfrage bestätigt das Interesse vieler Jungprofis an solchen
Veranstaltungen die ihnen als Forum und Plattform dienen.
Ich stelle daraufhin die Frage ob es sinnvoll oder richtig ist wenn
wir, d.h. die UNICA, die angegliederten Verbände sowie auch unsere
Vereine aufgrund ihrer Satzungen und Prinzipien, die ambitionierten
Jungprofis die danach streben Karriere im Film zu machen, gänzlich
aus unseren Aktivitäten ausschließen?. Dabei muss man sich ernstlich
fragen ob, seit der Namensänderung im Jahre 2005, und seit der
Statutenänderung die im 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten
ist, das ganze etwa nur einen Etikettenwechsel zur Folge hatte, also
ohne reale Willensbekundung einen Wechsel herbeizuführen? Persönlich
bin ich der Meinung dass wir zusammen nach Wegen und Möglichkeiten
suchen sollten um diese Jungfilmer in irgendeiner Form an uns zu
binden. Zusammen mit den Verbänden und deren Vereinen wird das
Komitee der UNICA die Lösungen zu finden haben die der Lage
angemessen sind. Niemand darf sich der Tatsache verschließen dass in
zunehmendem Masse unsere Vereine, und nicht nur die europäischen, an
Mitgliederschwund leiden. Dieser Verlust kann ohne Umdenken nicht
wettgemacht werden, da leider festgestellt werden muss dass begabte
junge Autoren die als Filmteams arbeiten, sich keineswegs für unsere
traditionellen Vereinsstrukturen interessieren. Zu spät erkannt kann
diese Situation sehr alarmierend werden weil zu den strukturellen
Problemen auch die Generationsproblematik hinzukommt. Meines
Erachtens ist dies zweifellos die Herausforderung die schnellstens
angenommen werden muss weil sie auf Dauer eine Existenzfrage, nicht
bloß finanzieller Natur, sowohl für unsere Vereine wie für die
Verbände und last but not least auch für den Dachverband UNICA
selbst darstellen wird.
Es gilt folglich eine vertiefte Ursachenforschung auf den drei
vorerwähnten Ebenen vorzunehmen . Erste Diskussionen zu dem Thema
wurden bereits innerhalb des UNICA-Komitees geführt. Diese
Diskussionen haben zutage gebracht dass bereits vielversprechende
innovative Projekte in mehreren Verbänden Westeuropas angestoßen
wurden. Die Debatte zu diesem Thema muss jedoch in aller Ruhe
geführt und erweitert werden, jede Überstürzung könnte das zu
erreichende Resultat auf längere Sicht negativ beeinträchtigen.
Ein zweites Anliegen das mir am Herzen liegt betrifft die interne
Organisation des Komitees die ich in den letzten zwei Jahren näher
kennenlernen konnte. Ich hätte in meinem neuen und schweren Amt,
insbesondere als Nachfolger eines hochrespektierten und allerseits
geschätzten langjährigen Amtsinhabers, kaum eine Chance zu bestehen
wenn ich der Versuchung erlegen würde mir seine Arbeitsmethoden
zueigen zu machen oder falls ich nur versuchen wollte seinen Stil
nachzuahmen. Ich möchte mich auch keinesfalls als jemanden ausgeben
der ich nicht bin. Dazu bin ich zu alt und habe bereits zuviel
gelebt .
Aus meiner Sicht ist die Aufgabe des Präsidenten eher die eines
Koordinators und eines Primus inter pares. Ich sehe die Organisation
des Komitees viel eher als die einer Regierung als die eines
Aufsichtsrates wo jeder zu allem mit dem Kopf nickt was einer oder
wenige Andere vortragen. Jedes Mitglied im Komitee sollte sich in
Zukunft in die Haut eines Ministers versetzen der einem
Regierungsdepartement vorsteht und für das er Verantwortung zu
tragen hat. Alleine die wichtigeren Entscheidungen werden im Plenum
gefasst, ausgenommen die dringlichen Angelegenheiten die im
Einvernehmen mit dem Präsidenten, dem Vize-Präsidenten, dem
Generalsekretären und dem Schatzmeister zu beschließen sind.
Desweiteren hoffe ich auf das Wissen und die Erfahrung der alten und
neugewählten Mitglieder zählen zu dürfen um zu verhindern dass ich
in von ihnen bekannte Fallen tappen sollte und auf dass sie mich auf
den rechten Weg zurückbringen falls ich mich einmal verlaufen
sollte.
Zum Schluss möchte ich mich ausdrücklich bei Max Hänsli und dem
ganzen Komitee bedanken für die ausgezeichnete Zusammenarbeit
die wir während den vergangenen 2 Jahren hatten und wo ich sehr
freundschaftlich aufgenommen wurde. Von Euch allen als der
zukünftige Präsident vorgeschlagen zu werden, erfüllt mich mit
Stolz. Danke für alles. Danke vor allen Dingen Euch allen
Delegierten als Vertreter Eurer Verbände für das überwältigende
Ergebnis bei der Abstimmung. Ich bin fest überzeugt dass, zusammen
mit der Mannschaft die nun neu bestimmt wurde, sowie auch mit dem
Neuzugang Rolf Leuenberger, wir in der Lage sein werden gute Arbeit
zu leisten und die UNICA in den kommenden Jahren auf die richtige
Schiene zu setzen und so für die Zukunft zu rüsten, dies im Rahmen
und in vollem Respekt der Satzungen und Traditionen denen wir
verpflichtet sind.
So liebe Freunde, Ihr kennt jetzt meine Einstellung und mein Credo.
Es wird also heißen:
Es gilt nun dass jeder einzelne hier im Saale Anwesender seinen Beitrag leistet entsprechend seiner Kompetenzen auf einem gesonderten Gebiet damit auch in vielen Jahren die UNICA Fanfare in den schönsten Klängen ertönen kann, dies zum Stolz unserer Organisation und aller die die Ehre haben ihr auf irgendeiner Ebene zu dienen und zum höheren Glanz aller die mit ihren Werken auch in Zukunft sich unter ihrer Flagge versammeln wollen.
Georges Fondeur
Gdansk (Danzig)
10 September 2009